Alpbach Spirit
AUSTRIAN CONVENTION BUSINESS MAGAZIN (PRINT 2020/02)
Das diesjährige Europäische Forum Alpbach markierte ein großes Jubiläum – und es war eine der größten digitalen Konferenzen, die sich 2020 im europäischen Raum abgespielt haben – jetzt stehen mehrere Weichenstellungen bevor
Heuer ist alles anders. Und es wird vieles anders. So auch beim Europäischen Forum Alpbach (EFA), das vor 75 Jahren seine Premiere erlebte. Das damals noch verschlafene kleine Tiroler Bergdorf auf ca. 1.000 Metern Seehöhe war mit einem Schlag geistiges Zentrum für Kapazitäten aus Medizin, Philosophie, Physik und Wirtschaft und Treffpunkt für all jene, die der Glaube an ein gemeinsames und friedliches Europa einte.
Ein dreiviertel Jahrhundert später steht Europa neuerlich vor großen Herausforderungen. Diesmal geht es um Pandemie und Klimakrise. Auch für das EFA – längst einer der wichtigsten Thinktanks Mitteleuropas – markiert das 75 Jahr-Jubiläum gleichzeitig eine Premiere und Aufbruch in eine neue Ära: für ersteres sorgt die Digitalisierung – erstmals in seiner Geschichte wurde das Forum als komplett digitale Konferenz abgehalten und das in einer gigantischen Dimension –, für zweiteres der Wechsel an der Spitze. Seit 2012 gestaltete der frühere EU-Kommissar und ehemalige österreichische Minister Franz Fischler als Präsident die Geschicke des Europäischen Forums Alpbach. Künftig steht mit dem ehemaligen Generaldirektor der Erste Bank, Andreas Treichl, sein Nachfolger an der Spitze. Treichl wurde heuer im Mai zum Vizepräsidenten gewählt. Was all dies für das Europäische Forum Alpbach bedeutet, wie die diesjährige Hürde gemeistert wurde, den berühmten „Alpbach Spirit“ statt live im Dorf der Denker zu leben digital in alle Welt zu tragen, wie die Veranstaltung im Jubiläumsjahr 2020 gelaufen ist, wie ihr Résumé aussieht und welche Hürden es zu meistern galt, darum geht es im aktuellen Veranstalter-Interview des AUSTRIAN CONVENTION BUSINESS MAGAZINS. Gesprächspartnerin war Teresa Reiter, Head of Communications und Marketing des Europäischen Forums Alpbach.
ACB MAGAZIN: Laut Präsident Fischler war das heurige Forum „nicht einfach so eine Art Zoom-Konferenz für viele Leute“, sondern „viel ausgeklügelter“. Wie hat sich diese ‚Ausgeklügeltheit‘ dargestellt?
Teresa Reiter: „Das digitale Forum Alpbach war eine der größten digitalen Konferenzen, die sich 2020 im europäischen Raum abgespielt hat. Über zwölf Tage hinweg wurden mehr als 300 Sessions mit über 600 Speakern von vier Kontinenten aus in unser Konferenztool gestreamt. Eine besondere Rolle kam dabei der Jugend zu, die heuer nicht nur Rahmenprogramm beisteuerte, sondern auf Augenhöhe mit dem EFA Veranstaltungen mitprogrammierte und umsetzte. Da das Format der Onlinekonferenz 2020 in Österreich noch nicht bei allen zu ihren Gewohnheiten gehörte, mussten wir viele Dinge erst mit unseren TeilnehmerInnen gemeinsam erarbeiten.“
ACB MAGAZIN: Was war anders gegenüber üblichen virtuellen Konferenzen?
Teresa Reiter: „Für das Forum Alpbach stand vor allem im Fokus, möglichst die Netzwerkerfahrung, das niederschwellige In-Kontakt-Treten mit VertreterInnen von Wissenschaft, Politik, Kunst- und Kultur und Wirtschaft in vergleichbarer Weise zu ermöglichen, wie das normalerweise im Bergdorf Alpbach passiert. Dafür mussten wir uns einige besondere Formate einfallen lassen, um dem Alpbach Spirit auch digital möglichst nahe zu kommen.“
ACB MAGAZIN: Welche neuen Herausforderungen haben sich dadurch für Sie und das gesamte Organisationsteam ergeben?
Teresa Reiter: „Wir mussten unser Produkt, das bis dato seit 75 Jahren ein sehr analoges gewesen war, völlig neu erfinden und damit auch alle unsere Prozesse und die Art wie wir miteinander und unseren Partnern zusammenarbeiten. Dank eines engagierten, sehr flexiblen und sehr tatkräftigen Teams gelang diese Übung.“
ACB MAGAZIN: Geplant waren Diskussionsveranstaltungen in 25 Ländern, von Ghana bis Brüssel. Haben die alle so stattgefunden wie geplant oder gab es Änderungen?
Teresa Reiter: „Diesbezüglich haben wir unser Ziel sogar um ein ganzes Stück übertroffen. Hubs auf vier Kontinenten steuerten Veranstaltungen bei. Besonders freut uns, dass es nicht nur die alteingesessenen Alumni-Clubs waren, deren Veranstaltungen sich großer Beliebtheit erfreuten, sondern auch neuere Organisationen – wie etwa das Africa Alpbach Network – viel Aufmerksamkeit für ihre hervorragenden Sessions erlangen konnten. Besonders stolz sind wir auch darauf, dass wir für unser Programm auch sehr große Namen, wie etwa jenen des UN-Generalsekretärs António Guterres oder des argentinischen Wirtschaftsministers Martín Guzmán anbieten konnten.“
ACB MAGAZIN: Der Aussage von Sonja Jöchtl, Geschäftsführerin Stiftung EFA, zufolge ermöglichten die technischen Tools eine gleichzeitige Beteiligung von 100.000 TeilnehmerInnen. Was war die höchste gleichzeitige TeilnehmerInnen-Zahl?
Teresa Reiter: „Die höchste Zahl an gleichzeitig in einer Session befindlichen Personen war knapp 1.000 bei der Session mit dem UN-Generalsekretär.“
ACB MAGAZIN: In Alpbach selbst waren heuer in erster Linie SprecherInnen, JournalistInnen und Partner des Forums, sowie eine kleine Gruppe junger Menschen. Wie stark hat sich durch diese hybride Abhaltung die Atmosphäre, die Alpbach sonst ausmacht, verändert?
Teresa Reiter: „Alpbach so leer zu sehen, war für uns vom Team natürlich ungewohnt. Einen großen Teil des Alpbach Spirits konnte man heuer besonders in der Onlinekonferenz miterleben und natürlich ist eine Onlinekonferenz kein Ersatz für eine persönliche Begegnung in Alpbach. Die gute Laune, Empathie und das große Engagement unserer TeilnehmerInnen auf der ganzen Welt machten es allerdings möglich, dass wir gemeinsam eine Veranstaltung geschaffen haben, die für alle ein Gewinn war, in Zeiten, in denen viele andere vergleichbare Veranstaltungen gar nicht stattfinden konnten. Darauf sind wir auch stolz.“
ACB MAGAZIN: Es wurde mit 112 Nationalitäten unter den TeilnehmerInnen gerechnet. Waren es tatsächlich so viele? Und wie viele TeilnehmerInnen waren es insgesamt?
Teresa Reiter: „Es waren 134 Nationalitäten und rund 5.000 TeilnehmerInnen. Vor Ort waren davon über 12 Tage etwa 800 Personen akkreditiert. Normalerweise sind es über drei Wochen an die 5.000.“
ACB MAGAZIN: Wie hat sich all dies auf die wirtschaftliche Bilanz des Forums Alpbach 2020 ausgewirkt?
Teresa Reiter: „Nur so viel: Selbstverständlich machen auch dem Forum Alpbach die wirtschaftlichen Konsequenzen der Corona-Krise sehr zu schaffen.“
ACB MAGAZIN: Trotz allem können Sie aber von einem Erfolg sprechen. Jetzt soll auch in Zukunft – so die Ankündigung von Präsident Fischler – ein Teil des Forums digital sein. Welche Erfahrungen hat diesbezüglich die diesjährige Veranstaltung gebracht? Und worauf wollen Sie bei künftigen Foren Alpbach gegenüber heuer auf keinen Fall verzichten?
Teresa Reiter: „Das Forum Alpbach durchlebt gerade einen Führungswechsel. Seit Oktober haben wir mit Werner Wutscher einen neuen Generalsekretär und auf der Generalversammlung im November soll Andreas Treichl zum Nachfolger Franz Fischlers gewählt werden. Das EFA Team ist gewissermaßen bereits mit den Vorbereitungen für 2021 beschäftigt. Es wird einige Neuerungen geben, die Andreas Treichl demnächst bekanntgeben wird.
Die Erfahrung, die wir heuer gemacht haben, ist auf jeden Fall, dass eine starke Einbindung der jungen Leute sinnvoll ist und sehr viel Positives zur Stimmung und Diversität auf dem Forum beiträgt. Auch die digitale Komponente wird uns wohl nicht mehr verlassen. Durch die Möglichkeit einer digitalen Teilnahme konnte das Forum niederschwelliger zugänglich für all jene gemacht werden, die sich die weite Reise aus finanziellen oder aus Zeitgründen nicht leisten könnten. Wir sind sehr froh, dass wir sie auf digitalem Weg dabeihaben konnten und trotz Corona nicht auf ihre Stimmen verzichten mussten.
Was uns beim Europäischen Forum Alpbach allerdings in einem breiteren Kontext sehr am Herzen liegt, ist einen effektiven Beitrag dazu zu leisten, dass Europa in größerer Einigkeit auf Herausforderungen wie die Pandemie, aber besonders auch auf die Klimakrise reagiert. Alpbach kann der Ort sein, an dem Allianzen für eine bessere Zukunft für alle gebaut werden! Das ist unser Ziel und daran arbeiten wir.“
Die gebürtige Wienerin krönte ihr Studium der Germanistik an der Uni Wien mit zwei Mastern in Nachrichtenjournalismus an der Kingston University in London und in Internationaler Politik an der Diplomatischen Akademie Wien.
Beruflich begann Teresa Reiter ihre Karriere als Journalistin und arbeitete als solche zuletzt bei der „Wiener Zeitung“, um danach für drei Jahre bei den NEOS im Parlamentsklub als Fachreferentin für Außenpolitik, EU, Landesverteidigung, Migration und Entwicklungszusammenarbeit tätig zu sein.
Seit März dieses Jahres ist Teresa Reiter Leiterin der Kommunikation beim Europäischen Forum Alpbach, darüber hinaus Co-Moderatorin des Sicherheitspodcasts „Defence Café“ der Friedrich-Naumann-Stiftung in Brüssel.
Erstellt am: 26. Jänner 2021
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