Kongress-Statistik

Als die Kongress-Welt noch in Ordnung war

AUSTRIAN CONVENTION BUSINESS MAGAZIN (PRINT 2020/02)

Langfristiger Vergleich der UIA  Top-4 Länder und Österreich

Langfristiger Vergleich der UIA Top-4 Länder und Österreich

Umfangreiche Analysen der 2019-Statistiken von UIA und ICCA – das Ermitteln der TeilnehmerInnen-Anzahl pro Meeting stellt die klassischen ICCA-Rankings auf den Kopf 

Statistiken über 2019, als die Welt noch in Ordnung war, werden oft als Schnee von gestern abgetan. Was sagen sie noch aus, vor allem für die durch Corona durcheinandergewirbelte Kongress- und Tagungsbranche? Doch Vorsicht: einfach wegwischen lassen sich Datenquellen, wie der „Statistics Report“ der ICCA (International Congress and Convention Association) oder der „61st International Meetings Statistics Report“ der Union of International Associations (UIA) nicht. 

Ihre Veröffentlichungen im Frühjahr und Sommer 2020 sind angesichts der aktuellen Entwicklungen leider untergegangen. Da sie wie immer nur einen Status-Quo zeigen (Rankings aufgrund der Daten von 2019), hat das Austrian Convention Business MAGAZIN die Daten einem Vergleich mit dem Jahr davor unterzogen. Ebenso wurde eine Analyse der TeilnehmerInnen-Zahlen pro Meeting erstellt. 

UIA nur noch gegen Bares

Schon in der Vergangenheit waren die von der UIA in der Presseinformation kommunizierten Daten deutlich eingeschränkter, als jene der ICCA. In der 61. Ausgabe des statistischen Berichtes über internationale Tagungen veröffentlicht die UIA erstmals gar keine Zahlen mehr, sondern lediglich das Ranking der ersten zehn Plätze bei Städten und Ländern. 

Wer tiefergehende Infos erhalten will, ist gezwungen den Report käuflich zu erwerben (€ 1.135 als PDF, € 1.420 in der Print-Version). Er ist lediglich für assoziierte Mitglieder kostenlos.  

Das Austrian Convention Business MAGAZIN hat das UIA-Ranking mit jenem des Vorjahres verglichen. Ergebnis: der Kreis der Top-10 Länder ist unverändert geblieben, es gab lediglich einige Positionsverschiebungen. Eine betrifft Österreich, das von Rang 6 auf 10 zurückgefallen ist. Dort rangierte die Donau- und Alpenrepublik bereits 2015. 

Von den Top-10 Ländern sind neun kontinuierlich dabei, Österreich gehört dazu. Auffallend ist, dass vier Länder im UIA-Ranking seit Jahren die ersten vier Plätze belegen: Singapur, Belgien, Südkorea und die USA. Fixstarter seit Jahren sind zudem neben Österreich noch Japan, Frankreich, Spanien und Deutschland. UK wechselte sich zwischenzeitig mit Italien, den Niederlanden und Thailand ab, landete aber wie 2018 auch im Vorjahr unter den besten 10.

Bei den Städten wird das Ranking seit Jahren von den 5 Kongress-Metropolen Singapur, Brüssel, Seoul, Paris und Wien dominiert, das 2019 wieder auf Rang 5 landete. Paris rutschte in Folge der Attentat-Serien ab Ende 2015 bis 2017 vorübergehend aus den Top-5, hat sich aber 2019 erstmals wieder dort etabliert. 

UIA Länder- und Städte-Ranking

UIA Länder- und Städte-Ranking

Unterschiedliche Zählweisen 

Anders als die ICCA fließen bei der UIA Meetings von internationalen Organisationen und Gesellschaften in die Statistik ein, die mindestens drei Tage dauern und über 300 TeilnehmerInnen vorweisen können, von denen mindestens 40% aus dem Ausland kommen und wenigstens fünf verschiedene Nationen repräsentieren.

Bei der ICCA werden ausschließlich Veranstaltungen ab 50 TeilnehmerInnen erfasst, die von internationalen Verbänden veranstaltet werden und zwischen mindestens drei Ländern rotieren sowie die zumindest bereits dreimal abgehalten wurden.  

Umfangreiches Zahlenmaterial im ICCA-Report 

Die ICCA stellt erfreulicher Weise weiterhin ihre Statistiken auch Nicht-Mitgliedern zur Verfügung. Österreich konnte gemessen an der Anzahl der Meetings 2019 Platz 16 halten. Mehrere Jahre konnte die Donau- und Alpenrepublik Rang 12 einnehmen.

Das Ranking wird traditionell von den sechs Ländern USA und Deutschland (stets auf den Plätze 1 und 2) sowie von Spanien, Frankreich, UK und Italien dominiert, die ihre Positionen laufend tauschen. 

Bei den Städten gehört Wien bekanntlich zu den stärksten Kongress-Metropolen weltweit. Im Vorjahr landete es aber nur auf Rang 6, der schwächsten Platzierung seit Jahren, wo es – mit Ausnahme von 2015 – Platz 2 gepachtet zu haben schien. „Wiens Tagungsbilanz 2019 stellt im langjährigen Vergleich ein atypisches Jahr dar“, kommentiert das Vienna Convention Bureau (VCB) des WienTourismus das Ergebnis. 

Abgezeichnet hatte sich die Tatsache, dass „2019 aus der Reihe fällt“ laut Tourismusdirektor Norbert Kettner bereits länger, da „Kongresse mehrere Jahre im Vorfeld geplant werden.“ Stärkster Indikator dafür war die Zahl an Großkongressen mit über 5.000 TeilnehmerInnen: Fünf Kongresse dieser Art im Jahr 2019 bedeuteten etwa halb so viele wie im langjährigen Durchschnitt. 

Die Gründe für die schwächere Bilanz 2019 seien laut Kettner aber vielschichtig: „Die zweite Hälfte des Vergleichsjahres 2018 war stark vom hohen internationalen Tagungsaufkommen durch den EU-Rat geprägt – eine Vorgabe, die 2019 nicht zu erreichen war.“  

Ein weiterer Grund waren laut VCB-Chef Christian Woronka Umbauten von Wiens Meeting-Industrie, wodurch nicht das ganze Jahr 2019 über die volle Kapazität zur Verfügung stand. Das Austria Center Vienna (ACV) etwa begann mit den Arbeiten an seinem Donausegel und das für internationale Tagungen wichtige Hotel Hilton Vienna gestaltete Zimmer und Tagungsbereiche neu. Woronka: „Diese für die Meeting-Metropole Wien wichtigen Investitionen in die Zukunft schlugen sich kurzfristig in der Tagungsbilanz 2019 nieder.“

Den Platz an der Sonne hält meist Paris, das im Vorjahr erneut auf Platz 1 landete. Interessant sind aber zwei langfristige Trends: einer davon ist der schier unaufhaltsame Vormarsch von Lissabon. Die Stadt am Tejo drang erstmals 2015 in das Top-10 Ranking vor, wo sie seither einen Fixplatz hält. 2018 und 2019 begann dann der Durchmarsch auf Platz 2. 

Ein anderer Fall ist London, das im internationalen Kongress- und Meeting-Bereich offensichtlich seinen Tribut an den Brexit zahlen muss. Jahrelang auf den Plätzen 5 und 6 gelegen, setzte vor zwei Jahren der Abstieg ein. 2019 reichte es nur noch für Platz 8.

Langfristiger Vergleich der UIA Top-5 Städte

Langfristiger Vergleich der UIA Top-5 Städte

Länder-Ranking ICCA - langfristige Entwicklung

Länder-Ranking ICCA - langfristige Entwicklung

TeilnehmerInnen pro Meeting  

Bei der ICCA werden Veranstaltungen und TeilnehmerInnen-Zahlen getrennt erfasst. Das Austrian Convention Business MAGAZIN verdichtet beide Statistiken zu einer, woraus sich die TeilnehmerInnen pro Meeting errechnen lassen. Der Grund: die Aussagekraft dieser Kennzahl ist höher zu werten, als das reine Zählen von Meetings. Je größer die Anzahl der TeilnehmerInnen, desto höher die aus einem Kongress erzielte Wertschöpfung.  

Österreich und Wien liegen diesbezüglich im absoluten Spitzenfeld. Im Länder-Ranking kam die Donau- und Alpenrepublik 2019 auf Platz 4, die Kongress-Metropole Wien rangierte auf Rang 6. 

Die Top-10 setzen sich komplett anders zusammen, als es beim reinen Zählen der Meeting-Anzahl der Fall ist. Frankreich, Spanien und die Niederlande sind die einzigen Länder, die in beiden Rankings den Top-10 angehören. Bei den Städten ist dies neben Wien nur bei Barcelona und Madrid der Fall. Paris landet hier nur auf Platz 13. 

ICCA Ranking

ICCA Ranking

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Die Landeshauptstädte 

Bleibt zum Schluss noch das Abschneiden der Bundesländer-Hauptstädte Österreichs im ICCA-Ranking 2019. Wie in den Jahren davor schafften es aufgrund der nach ICCA-Zählweise stattgefundenen internationalen Kongresse Graz, Salzburg, Linz und Innsbruck in den „Statistics Report“. 

Der größte Sprung nach vorne gelang der Mozartstadt. Innsbruck rutschte als einziger dieses Quartettes zurück. 

Wie immer führt die ICCA bei dieser Auflistung den weltweiten und den Rang in Europa an. Mit Graz und Salzburg befanden sich 2019 zwei Landeshauptstädte unter den Top-100 der europäischen Kongress-Städte., Linz und Innsbruck liegen ex-aequo auf Platz 123.

ICCA - Landeshauptstädte Ranking

ICCA - Landeshauptstädte Ranking

Ausblick auf die Statistik 2020 

All dies stellt einen Rückblick auf die Vergangenheit dar. Nun werden die Karten im Kongress-Geschehen komplett neu durchgemischt. Die Rankings von UIA und ICCA im kommenden Jahr werden deshalb besonders spannend: gelingt es den Top-Ländern und -Metropolen trotz massivem Einbruch des internationalen Geschehens ihre Spitzenpositionen zu halten – wenn auch auf extrem niedrigerem Niveau – oder landen andere Staaten und Städte im Spitzenfeld. Das Austrian Convention Business MAGAZIN wird darüber berichten.

ICCA - TeilnehmerInnen pro Meeting 2019 nach Städten

ICCA - TeilnehmerInnen pro Meeting 2019 nach Städten

ICCA - TeilnehmerInnen pro Meeting 2019 nach Ländern

ICCA - TeilnehmerInnen pro Meeting 2019 nach Ländern

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