Masterarbeit

Maßnahmen zu mehr Nachhaltigkeit bei medizinischen Kongressen

AUSTRIAN CONVENTION BUSINESS MAGAZIN (PRINT 2023/01)

Antonia Boesch und Harald Rametsteiner

Eine Masterarbeit an der FH St. Pölten zeigte, dass es eine Lücke in der Forschung zum Thema Nachhaltigkeit bei medizinischen Kongressen gibt – durch diese Arbeit wird sie geschlossen

Im Herbst vorigen Jahres bzw. im Jänner 2023 wurden an der FH St. Pölten im Lehrgang Eventmanagement die Master­prüfungen abgehalten. „Es war ein besonderer Jahrgang“, erinnert sich Lehrgangsleiter Prof. (FH) Mag. Harald Rametsteiner, denn es handelte sich um jene Student:innen, die 2020 mitten in der Corona-Pandemie ihr Studium begonnen hatten.

Unter den Masterarbeiten ragten 14 als besonders hochwertig heraus. Eine davon war der Nachhaltigkeit medizinischer Kongresse gewidmet. Autorin ist die MODUL-Absolventin Antonia Boesch, die ihre Karriere als Senior Event Managerin bei Camping Pink Event startete und seit September 2019 zusätzlich als Projekt Koordinatorin bei der European Academy of Neurology (EAN) tätig ist. Antonia Boesch: „Recherchen zum aktuellen Stand der Forschung haben gezeigt, dass es eine Lücke in der wissenschaftlichen Literatur zum Thema Nachhaltigkeit bei medizinischen Kongressen gibt. Es gibt viele Richtlinien und wissenschaftliche Untersuchungen zur Nachhaltigkeit bei Veranstaltungen im Allgemeinen, aber nicht speziell für medizinische Kongresse. Das kann auch damit zusammenhängen, dass bei diesen Veranstaltungen der fachliche Inhalt immer an erster Stelle steht.“

Für ihre Masterarbeit zog Antonia Boesch den jährlichen EAN Kongress heran, der zuletzt im Juni 2022 mit mehr als 8.000 Teilnehmenden in Wien stattfand. Im Zuge dessen beschäftigte sie sich vertiefend mit dem Schließen dieser Forschungslücke und es wurden vor ihr Maßnahmen der Nachhaltigkeit auf der Grundlage des Österreichischen Umweltzeichens untersucht. Beim Österreichischen Umweltzeichen handelt es sich um ein freiwilliges Gütesiegel, das umweltfreundliche Produkte, Dienstleistungen oder Unternehmen aus bestimmten Branchen auszeichnet. Es wird vom Bundesministerium für Klimaschutz und Umwelt (BMK) und vom Verein für Konsumenteninformation geprägt. Das Umweltzeichen für „Green Meetings und Green Events“ zeichnet umweltfreundliche und verantwortungsvoll organisierte Veranstaltungen aus. Antonia Boesch: „Eine Veranstaltung nachhaltig zu gestalten bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass es sich um ein Green Event oder Meeting handelt. Um die Veranstaltung wirklich als Green Event zu vermarkten, muss es vorab als solches zertifiziert werden.“ Green Meetings zeichnen sich durch höhere Energieeffizienz, Abfallreduzierung und umweltfreundlichen Gästezugang aus. Zusätzlich werden die Aspekte lokaler Wertschöpfung und sozialer Verantwortung berücksichtigt.

Die Masterarbeit von Antonia Boesch unter­suchte das Themenfeld vertiefend über eine empirische Studie. Methodisch gab es ein qualitatives Studiendesign mit einer strukturierten Inhaltsanalyse, es wurden sechs Expert:innen mit Erfahrung rund um medizinische Kongresse befragt. Die Ergebnisse der Befragung ergaben, dass die Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens als eine gute Grundlage gesehen werden, um für Veranstaltungstypen wie Kongresse spezifisch modifiziert zu werden. Kritisiert wurde von den Befragten, dass das Umweltzeichen zu weit gefasst ist und mit einem hohen bürokratischen Aufwand beim Zertifizieren als Organisation verbunden ist. Zusätzlich äußerten die Expert:innen Hürden bei der Umsetzung der Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens auf internationaler Ebene. Letzteres hängt in der Praxis auch mit Problemen im Vertrauen zu den ansässigen Lieferanten bzw. fehlender getrennter Müllentsorgung im Land zusammen.

Zum Abschluss der Masterarbeit wurde ein Katalog nachhaltiger Maßnahmen bei medizinischen Kongressen abgeleitet. Die Grundlage waren die Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens bzw. die Erfahrungen der befragten Expert:innen.

Es wurden sechs Bereiche festgelegt, in denen konkrete Maßnahmen gesetzt werden sollen:

  • Mobilität: Hier geht es um Rabatte für Bahntickets zum Reduzieren des Flugverkehrs, die Förderung von Fahrgemeinschaften, den Ausgleich des CO2-Fußabdrucks und das Anpassen der Veranstaltungszeiten an die öffentlichen Verkehrsmittel.
  • Veranstaltungsort & Unterkunft: Hier steht das Bevorzugen nachhaltiger Hotels im Vordergrund, ebenso das Nutzen dauer­hafter Gebäude als Veranstaltungsort, das eingeschränkte Nutzen von Heiz- oder Kühlmöglichkeiten bzw. die Einbindung des Tageslichts in den Räumen.
  • Material- & Abfallmanagement: Hier stehen das Abfallwirtschaftssystem des Veranstaltungsorts, das Wiederverwenden von Material, das Reduzieren der Werbegeschenke und das Verwenden umweltfreundlicher Reinigungsprodukte im Fokus.
  • Standbau: Hier geht es um Anreize für das Verwenden nachhaltiger Produkte, das Wiederverwenden von Material und der Messestände und die Einbindung bedürftiger Menschen für den Auf- und Abbau.
  • Catering & Gastronomie: Hier steht das Anbieten vegetarischer oder veganer Speisen im Fokus, ebenso der Einsatz regio­naler, saisonaler und biologischer Speisen und Getränke, das Spenden überzähliger Speisen an Organisationen zum Vermeiden von Lebensmittelverschwendung und der sparsame Einsatz von Geschirr.
  • Kommunikation: Hier geht es um digitale Werbeformen, die Weiterbildung zum Thema Nachhaltigkeit und das Einbeziehen aller Mitwirkenden zu nachhaltigen Maßnahmen.

Die Erkenntnisse der Masterarbeit bestätigen, dass die Kriterien des Umweltzeichens eine hilfreiche Grundlage für nachhaltige Maßnahmen bei medizinischen Kongressen sind. Der abgeleitete Maßnahmenkatalog kann bei der konkreten Umsetzung unterstützen.

Antonia Boesch BA MSc, Absolventin des Masterlehrgangs Eventmanagement der Fachhochschule St. Pölten und Verfasserin der Masterarbeit. Beruflich ist Antonia Boesch zweigleisig aktiv: einerseits ist sie seit 2019 Projekt Koordinatorin bei der European Academy of Neurology, und andererseits ist sie seit 2016 Eventmanagerin bei der Camping PINK Event GmbH am Red Bull Ring.

FH-Prof. Mag. Harald Rametsteiner, Leitung Masterlehrgang Eventmanagement der Fachhochschule St. Pölten. Betreuer der Masterarbeit und Verfasser der Zusammenfassung für den Artikel.

© Fotos: Peter Rauchecker, Julia Dragositz, Foto Kraus

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