AUSTRIAN CONVENTION BUSINESS MAGAZIN (PRINT 2023/02)
Das Beispiel DSTNCMP (DestinationCamp) in Kufstein zeigte, wie die in der Studie „Von der Meeting zur Meaning Industry“ definierten sechs Punkte in der Praxis umgesetzt werden
Vor zwei Jahren hat das ACB zusammen mit den beiden Universitätsprofessoren Prof. Lukas Zenk (Innovations- und Netzwerkforschung, Donau Universität Krems) und Prof. Markus Peschl (Spezialist für Kognitionswissenschaft, Innovation und Wissenschaftstheorie, Universität Wien) die Studie „Von der Meeting zur Meaning Industry“ herausgebracht. Darin sind sechs Zukunftsfelder definiert worden, mit denen sich Meetings intensiv beschäftigen sollten:
Ob und wie diese sechs Zukunftsfelder in der Praxis umgesetzt werden können, wo es Hürden zu überwinden gilt und welche positiven Auswirkungen all dies auf das Erlebnis hat, darum ging es im Gespräch mit Benjamin Buhl. Er ist geschäftsführender Gesellschafter des in Bayern und Hamburg beheimateten Unternehmens netzvitamine und Cheforganisator des als „Denkraum des deutschsprachigen Tourismus“ geltenden DSTNCMP (DestinationCamp), das nach 12 Jahren Hamburg heuer erstmals außerhalb von Deutschland, und zwar in Kufstein, abgehalten wurde. Mehr als 250 Tourismusexpert:innen nahmen daran teil.
Besagte Studie, also jene „Von der Meeting zur Meaning Industry“, kannte Benjamin Buhl, wie er freimütig eingesteht, vor dem DSTNCMP23 noch nicht, „aber sie ist wie auf uns zugeschnitten, und zwar alle sechs Punkte.“ Denn die Überzeugung, weg vom Althergebrachten, beherrschte die DestinationCamp-Initiatoren und ihr Team von Anfang an, also seit 2011.
Ein gutes Beispiel dafür ist Punkt 6 (Qualität). Benjamin Buhl: „Wir agieren seit Anbeginn verantwortungsbewusst, und zwar sowohl gegenüber der Umwelt als auch der Gesellschaft und der Wirtschaft.“ Bereits seit 2016 ist die 1998 gegründete Unternehmensberatung vom Deutschen Tourismusverband „ServiceQualität“ zertifiziert, was laut Buhl „unseren Anspruch an die Qualität aller unserer Produkte und Leistungen dokumentiert“.
Das heuer erstmals in Kufstein abgehaltene DestinationCamp (2024 ist Bregenz Austragungsort des DSTNCMP) markierte dann auch die Transformation der bisher als Arbeitstreffen abgehaltenen Tagung hin zu einem „Workation-Event“. Hand in Hand damit ging die Änderung des DestinationCamp-Konzeptes einher (Stichwort: Lebendigkeit): War es zuvor auf drei kompakte und inhaltlich stark fokussierte Tage in einem Veranstaltungszentrum begrenzt, wurde das DSTNCMP23 in Kufstein auf vier Tage erweitert, wobei alle Sessions (sechs bis neun Themenstränge, die auf Sitzungsräume in einem Veranstaltungszentrum verteilt waren) nun an zehn ausgefallenen Örtlichkeiten in der Festungsstadt erlebt wurden. Buhl: „Wir konnten dadurch zusätzliche Freiräume für Freizeit und Erlebnisse im Kufsteinerland schaffen.“
Die Teilnehmer:innen hatten die Möglichkeit, in neun Werkstätten sowie einer netzvitamineAKADEMIE verschiedene Themenstränge in insgesamt 60 möglichen Sessions zu bearbeiten. Die Ergebnisse wurden dabei gemeinsam erarbeitet (Stichwort: Co-Creativity). Benjamin Buhl: „Es wurde nicht nur diskutiert, sondern es wurden auch Handlungsempfehlungen gegeben und Impulse gesetzt.“
Auch die frei nach dem Motto „Arbeit plus Freizeit ist gleich Workation“ gesetzten Maßnahmen zeigten die gewünschte Wirkung. Durch den Wechsel der Teilnehmer:innen zwischen den einzelnen Sessions wurde das DestinationCamp im Stadtbild sehr präsent und es ergaben sich interessante Kontakte zwischen Einheimischen und Gästen.
So boten sich für die DSTNCMP23-Gäste nach den vormittägigen Sessions und Workshops am Nachmittag Ausflüge zu den „Blondinen“ auf dem Fohlenhof des Haflingerzuchtgestüts in Ebbs, zu den Glasbläsern von Riedel oder in die „Crownhill“-Destillerie. Auch der Yoga- und Kräuterworkshop im Riedel-Festsaal war gut besucht, ebenso die Felsenkellerkäserei von Herbert Plangger und die Führung durch die Heldenorgel auf der Festung.
Ebenso wurden für das DestinationCamp Workation-Arbeitsplätze geschaffen, die den angereisten Führungskräften die Kontakte mit ihren Kolleg:innen zuhause erleichterten.
Für „Lebendigkeit“ sorgte auch der netzvitamineABEND. Traditionell ist dessen Veranstaltungsort ein gut gehütetes Geheimnis. Auch dieses Mal wusste niemand von den DSTNCMP-Gästen, wo sie ihn verbringen werden. Buhl: „Entsprechend erstaunt klangen die Aahs und Ooohs, als nach wenigen Minuten Busfahrt hinter einer Kuhweide die ikonografische Architektur des Festspielhauses Erl aufschien.“
Wie steht es um die drei übrigen Punkte der Studie, also Purpose, Journey (kontinuierliche Begleitung der Community) und Bricolage (autonom-gestaltete Veranstaltungen)? „Die haben wir auch mitbedient“, betont Benjamin Buhl. So war das DSTNCMP von Anfang an, also bereits vor 12 Jahren, als sinnstiftende Veranstaltung (Purpose) konzipiert. „Und wir befinden uns auch ganzjährig mit der Community in Kontakt“, so Buhl über die DestinationCamp-Aktivitäten bezüglich „Journey“. So finden jedes Jahr zwei Themenumfragen statt, aktuell eine über das DSTNCMP23 in Kufstein und eine über Wunschthemen für 2024.
Diese Themenumfragen folgen der Überlegung, dass bei „Barcamps“ die Teilnehmer:innen selbst – aber eben erst vor Ort – die Agenda und Inhalte definieren. „Das war uns zu knapp“, betont Benjamin Buhl. Die zweite Themenumfrage steht dann gegen Jahresende an. Auch die Nachberichterstattung über das DSTNCMP23 wird in Form einer „WERKSCHAU“ an alle Teilnehmer:innen, diverse Hochschulen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie interessierte Branchenvertreter:innen versandt.
Bezüglich Bricolage (autonom-gestaltete Veranstaltungen) „musste ich erst tief in die Studien hineingehen, um zu sehen, ob das gemeint ist, was ich darunter verstehe“, sagt Benjamin Buhl. Und wie die erwähnten Themenumfragen zeigen, wird auch dieser Punkt vom DestinationCamp erfüllt. Nicht nur das: „Die Teilnehmer:innen entscheiden vor Ort, in welche Sessions sie gehen. Sie können wählen. Und wenn sie nach zehn Minuten finden, dass doch der Besuch einer anderen Session zielführender wäre, dann wechseln sie einfach – wir nennen das Session-Hopping“, so Buhl. „Wir können also, wenn ich die Studie richtig interpretiere, auch die Bricolage gut abdecken.“
Beim DSTNCMP23 in Kufstein etwa war die Nachfrage nach kleinen Besprechungsräumen extrem hoch, weil, so Buhl, „viele Teilnehmer:innen gehörte Themen in noch kleinerem Rahmen besprechen wollten, sie gestalten also sehr autonom ihren Tag. Wir schaffen den Denkraum und den Rahmen, die wesentlichen Inputs kommen von den Teilnehmer:innen. Da sitzt niemand mit dem Laptop in Vorträgen und lässt sich berieseln. Das sieht man auch sehr genau in unserer DSTNCMP-Dokumentation in Schrift und Bild.“
Laut Benjamin Buhl wurde das DSTNCMP23 in Kufstein übrigens auch den veränderten Bedürfnissen im Segment der Geschäftsreisen gerecht. Dazu wurden neben dem TVB Kufsteinerland und der Festungsstadt selbst auch das Convention Bureau Tirol (CBT) und die Managementhochschule MCI Innsbruck in Organisation und Ablauf eingebunden (das MCI führt über seinen Verteiler und das Netzwerk auch die Branchenbefragung durch, wobei es laut Benjamim Buhl „durchaus auch sein kann, dass das MCI über das Jahr 2025 zum Zug kommt“). Wobei für 2025 und 2026 (die Ausschreibung dafür startet demnächst, die Entscheidungen werden in Bregenz 2024 bekannt gegeben) auch Destinationen in der Schweiz oder in Südtirol als Kandidaten in Frage kommen. Benjamin Buhl betont, „dass 2024 das DSTNCMP
sicher nicht das letzte Mal in Österreich stattfinden wird.“
Unabhängig davon, „wurde gemeinsam ein neuer Ansatz für ein modernes Tagungs- und Kongressformat entwickelt, das auch die Leistungsträger vor Ort stark einbindet“, so Buhl. Für den netzvitamine-Chef war das DSTNCMP23 damit auch eine Blaupause für andere Destinationen, die anders als Bregenz im kommenden Jahr „nicht über eine große Infrastruktur für Messen, Incentives, Kongresse und Events verfügen.“
Eines steht jedenfalls fest: Bei den in der Studie „Von der Meeting zur Meaning Industry“ festgelegten sechs Punkten handelt es sich nicht nur um Zukunftsfelder. Denn kreative Veranstaltungen setzen sie bereits in der Praxis um und, wie das DestinationCamp zeigt, zum Teil schon seit Jahren. Es wäre schön, wenn dieses Beispiel Schule macht.
Erstellt am: 25. August 2023
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