AUSTRIAN CONVENTION BUSINESS MAGAZIN (PRINT 2021/01)
Was wie ein Wortspiel aussieht, bedeutet in der Realität einen Paradigmenwechsel für eine ganze Branche. Die Welt hat sich geändert und die Erwartungen an die Kongress- und Tagungsindustrie ebenfalls. Im Rahmen des vom Austrian Convention Bureau und der Österreich Werbung ins Leben gerufenen Labors „Zukunftsfelder der österreichischen Tagungsbranche“ haben Prof. Lukas Zenk und Prof. Markus Peschl Zukunftspotentiale für die Meeting Industrie identifiziert und beschrieben. Das Austrian Convention Business Magazin hat die beiden Universitätsprofessoren zum Interview geladen um über die Erfahrungen im Rahmen der Studie und Zukunftsfelder für die Branche zu sprechen.
Was war die Ausgangslage zum Projekt, wo stehen wir?
Lukas Zenk: Die Meeting Industrie hat sich v.a. auch aufgrund der Pandemie maßgeblich verändert. Wir haben daraufhin zusammen mit dem Austrian Convention Bureau eine spannende Frage aufgestellt: Welche Zukunftstrends und notwendigen Kompetenzen lassen sich für die Meeting Industrie ableiten?
Markus Peschl: Im Laufe des Projekts wurde deutlich, dass diese Zukunftstrends nicht nur eine Folge der Pandemie sind, sondern bereits seit längerem in der Industrie geschlummert haben. Durch die Pandemie wurde aber deutlicher sichtbar, dass ein Paradigmenwechsel in der Meeting Industrie ansteht.
Wie sehen Sie die Probleme und Herausforderungen der Kongress- und Tagungsindustrie?
Lukas Zenk: Manche haben weiterhin die Hoffnung, dass wir nach der Pandemie – was das auch immer konkret bedeutet – wieder in einer Welt ankommen, die sich ähnlich gestaltet wie vor der Pandemie. Davon würde ich nicht ausgehen. Die Welt hat sich geändert und damit auch die Erwartungen an die Meeting Industrie. Die Herausforderung besteht in den nächsten Jahren darin, herauszufinden, wie diese neue Welt aussehen könnte, und was Teilnehmende tatsächlich bewegt.
Markus Peschl: Konkret bedeutet dies, dass wir in einer hoch komplexen und unvorhersehbaren Welt (“VUCA-World”) leben und die eigentliche Frage ist, was die Implikationen solch einer Welt für die Meeting Industrie sind. Dies war auch eine der Ausgangsfragen für unser Projekt.
Was ist bei den Gesprächen mit den Interviewpartnern und der Branche herausgekommen?
Lukas Zenk: Kurz zusammengefasst haben wir einen Trend von der “Meeting Industrie” zu einer “Meaning Industrie” entdeckt. Das bedeutet, dass der Fokus immer stärker auf bedeutsame und sinnvolle zwischenmenschliche Begegnungen gelegt wird, statt der reinen fachlichen Wissensweitergabe. Das scheint auf den ersten Blick einfach zu wirken. Wenn jedoch Veranstaltungen tatsächlich einen eigenen Purpose entwickeln, der für die Teilnehmenden in ihrer Lebenswelt bedeutsam ist, und sie die Möglichkeit haben, neues Wissen zu entwickeln und zu diskutieren, verändert sich das traditionelle Design von Veranstaltungen maßgeblich.
Welche Stakeholder waren mit dabei und wurden involviert?
Markus Peschl: Zusammen mit dem Austrian Convention Bureau haben wir versucht, relevante Stakeholder zu identifizieren. Dafür haben wir auf wissenschaftlicher Seite Kriterien vorgeschlagen, um eine möglichst breite Gruppe von “Betroffenen” zu erhalten, und der ACB-Vorstand hat aus praktischer Perspektive aus ihrem Netzwerk passende Personen ausgewählt.
Welche Zukunftsfelder haben sich herauskristallisiert?
Markus Peschl: In unserem Projekt haben wir sechs Zukunftsfelder als Trends identifiziert, die sich für eine zukünftige Meaning Industrie als essenziell herausgestellt haben. Wie der Name unserer Zukunftsstudie “Von der Meeting Industry zur Meaning Industry” verrät, geht es, wie zuvor erwähnt, in Zukunft verstärkt um die Schaffung von Bedeutung und Sinn.
Das wesentliche Ziel sind also (1) sinnstiftende Veranstaltungen (Purpose), in denen (2) gemeinsam (neues) Wissen und Bedeutung generiert wird (Co-Creativity). Um das zu erreichen werden eine (3) kontinuierliche Begleitung der Community (Journey) sowie (4) autonom-gestaltete Veranstaltungen (Bricolage) benötigt. Die Grundlagen sind dabei (5) die Lebendigkeit von Veranstaltungen, die sich durch (6) höchste Qualität, die einen echten Unterschied macht, auszeichnen.
Lukas Zenk: Dies ist natürlich nur eine sehr verkürzte Darstellung der Zukunftsfelder. Jedes dieser Felder wird in unserer Studie im Detail dargestellt ebenso wie die Implikationen und notwendigen zukünftigen Kompetenzen und Mindsets.
Haben Sie den Eindruck, dass alle von Ihnen angesprochenen Themen verständlich dargestellt wurden, oder sind die Thesen in manchen Fällen noch “zu wissenschaftlich“ formuliert?
Markus Peschl: Wir haben bewusst darauf verzichtet, “Rezepte” oder schnelle Problemlösungen anzubieten. Vielmehr war es uns wichtig, die hinter möglichen Lösungen stehenden Themenfelder, Fragen und Probleme nicht nur zu identifizieren, sondern auch in ihrer Tiefe und Bedeutung zu verstehen und sichtbar zu machen. Dies mag vielleicht als “zu wissenschaftlich” erscheinen; es ist jedoch wichtig, diese Felder gut zu verstehen, sonst bleiben die möglichen Lösungen bestenfalls oberflächlich und erlauben wenig Innovation.
Lukas Zenk: Die von uns dargestellten Trends sollen auch ein sehr breites Feld der Veranstaltungsbranche abdecken, die u.a. unterschiedlichste Service-Dienstleistende und Teilnehmende inkludieren. Wir haben daher grundsätzliche Strategien und Lösungen vorgestellt, die für den jeweiligen konkreten Fall weiter ausgearbeitet werden können.
Wie kann sich die heimische Tagungsbranche Ihrer Meinung nach zu einer „Austrian Meaning Industrie“ transformieren?
Markus Peschl: Unseres Erachtens muss dies in mehreren Schritten erfolgen: (a) Anerkennen und Verstehen der radikalen Veränderungen in unserer (VUCA-)Welt und der Implikationen für die Meeting Industrie. (b) Entwickeln innovativer Ansätze, konkreter Lösungen, Formate, Strategien, etc. die sich aus den Zukunfts-Themenfeldern ergeben, und (c) Schaffung eines Lern- und Experimentierfeldes, das dieses neue Wissen in den verschiedensten Feldern der Meeting Industrie zugänglich macht, vermittelt, in entsprechende Weiterbildungen einfließen lässt und Beratungsdienstleistungen anbietet.
Lukas Zenk: Dem ACB und seinen Mitgliedern kommt in diesem Kontext sicher eine wichtige Rolle zu. Es gilt nicht nur die Veränderungen wissenschaftlich aufzuzeigen, sondern es geht ganz wesentlich darum, diese in das Tagesgeschäft umzusetzen, oder Lösungen weiter zu entwickeln. Zusammen mit Vordenkenden der Industrie können dabei zukunftsfähige Strategien entwickelt und verbreitet werden. Durch die Veränderungen sind wir noch mehr als bisher dazu aufgefordert, neue Formate auszuprobieren und mit anderen Arten von Events zu experimentieren, um die Zukunft der Veranstaltungsbranche proaktiv mitzugestalten.
Donau-Universität Krems, Professor für Innovations- und Netzwerkforschung
Ass.-Prof. Dr. Lukas Zenk arbeitet als Professor für Innovations- und Netzwerkforschung am Department für Wissens- und Kommunikations-Management an der Donau-Universität Krems und leitet das Research Lab „Collaborative Creativity and Innovation“. Er untersucht, wie sich Menschen in Organisationen und während Veranstaltungen vernetzen und wie Kreativität und Innovationen entstehen. Diese Erfahrung setzt er in der agilen Beratung für internationale Unternehmen ein, um komplexe Probleme kollaborativ zu lösen. Für Veranstaltungen entwickelte er eine Methode, um innovative Events zu designen (www.designing.events). Für seine Projekte und Keynotes wurde er bereits mehrfach ausgezeichnet.
Universität Wien, Professor für Cognitive Science, Innovation und Wissenschaftstheorie
Markus F. Peschl ist Professor für Cognitive Science, Innovation und Wissenschaftstheorie an der Universität Wien. Er lehrt und forscht an diversen Europäischen Universitäten, ist Autor von 6 Büchern und ca. 150 Papers sowie Co-Founder der theLivingCore Innovations- und Wissensarchitekten. Seine interdisziplinären Forschungsfelder umfassen (radikale) Innovation und Kognition, Schnittstellen von Design und Entstehung neuen Wissens in Kognition & Organisationen. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen Emergent Innovation & Enabling Spaces (Räume, die Innovations- und Wissensarbeit unterstützen).
Erstellt am: 28. Oktober 2021
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