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AUSTRIAN CONVENTION BUSINESS MAGAZIN (PRINT 2023/01)
Die Schieflage unserer heutigen Weltsicht hat leider Tradition – Nora Wilhelm, Gründerin von „collaboratio helvetica“, will das ändern – auf der Convention4u wird sie zeigen wie
Eine besondere Vortragende konnte das ACB für die Anfang Juli in Alpbach stattfindende Convention4u gewinnen: die Social Entrepreneurin und Mitbegründerin der Organisation „collaboratio helvetica“ Nora Wilhelm. Gemeinsam mit einer Kollegin, die auf neue Formen der Zusammenarbeit, innovative Methoden für die Transformation sowie eine ganzheitliche Betrachtungsweise komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen spezialisiert ist, wird Nora Wilhelm den Convention4u-Teilnehmer:innen unter Anwendung von Otto Scharmers „Theorie U“ mögliche Ansätze aufzeigen, um die Transformation der Branche weg von Meeting- hin zur Meaning Industrie voranzutreiben. Da stellt sich die Frage: Wer ist Nora Wilhelm? Und was hat sie mit der Kongress- und Tagungsbranche am Hut? Um Antworten darauf zu finden hat das ACB Magazin die junge Schweizerin im Rahmen eines MS Teams-Meetings getroffen.
Geboren wurde Nora Wilhelm vor 29 Jahren im deutschsprachigen Teil der Schweiz. Als Fünfjährige übersiedelte ihre Familie nach Genf. „Ich konnte damals kein Wort Französisch“, erinnert sie sich. Sie hat deshalb erstmals gelernt, wie wichtig das Brückenbauen zwischen Kulturen und Sprachwelten ist. Da Genf einen der vier Amtssitze der UNO beherbergt, haben dort viele NGOs ihr Zuhause. Als Teenager begann Nora Wilhelm, sich in dieser Sphäre zu engagieren. Denn mit 15 Jahren hat sie realisiert, dass viele Dinge nicht so schön sind, wie sie es sich als Kind vorgestellt hatte. Stichwort: Abholzung im Amazonas, Schlachthöfe. Die kognitive Dissonanz zwischen den eigenen Werten und Handlungen und denen anderer Menschen lässt sie seither nicht mehr los. Ihren Sinn für soziale Gerechtigkeit entdeckte Nora Wilhelm bereits lange davor: „Erst vor kurzem fiel mir ein Aufsatz in die Hände, den ich mit 9 oder 10 Jahren geschrieben hatte. Es ging darin um die Zeit der Wikinger und dass deren Buben Bogenschießen und die Mädchen kochen (eine Lektion, die sich übrigens als Lüge entpuppt hat). Ich fand das nicht fair. Alle sollten das machen können, was sie wollen und was ihnen liegt.“
Nach der Schule, in der sie u. a. darum gekämpft hatte, dass Student:innen sich vegetarisch ernähren dürfen, studierte Nora Wilhelm von 2012 bis 2016 Internationale Beziehungen an der Uni St. Gallen, absolvierte mehrere Praktika (u. a. bei Deloitte), nahm an zahlreichen UN-Jugendkonferenzen teil und engagierte sich im Europäischen Jugendparlament. In den letzten beiden Studienjahren präsidierte sie das EJP Schweiz, übernahm die Projektleitung einer internationalen Session in der Schweiz und gründete 2017 zusammen mit anderen Change Makern die „collaboratio helvetica“, für die sie zwei Jahre später von der UNESCO als „Young Leader“ ausgezeichnet wurde. Während der Pandemie absolvierte Nora Wilhelm einen Master in Sozialer Innovation an der Universität Cambridge. Den Fokus auf Change-Prozesse hat Nora Wilhelm dabei stetig vertieft: „Ich suche Wege, wie wir einen Beitrag zu einer besseren, gerechteren und glücklicheren Zukunft leisten können. Ich setze mich dafür ein, dass unser aller Zusammenleben fairer wird.“ Es gehe dabei nicht nur um Diversität in den Systemen, sondern um systemischen Wandel: „Viele der derzeitigen Systeme resultieren in Entwicklungen, die die allermeisten von uns absolut nicht wollen.“
Wie ist das zu verstehen? „Für eine regenerativ handelnde und funktionierende Gesellschaft reicht es nicht, junge Menschen für die Politik zu motivieren und ein System aufrechtzuerhalten, das sich mit echten und zeitnahen Lösungen für die heutigen Herausforderungen bisher so schwer getan hat.“ Und die Alternative? „Wir müssen Menschen motivieren, aktiv die Zukunft mitzugestalten. Es geht nicht nur darum, dass z. B. auch Frauen an einem Tisch sitzen, sondern der Tisch muss sich ändern.“ Diese Überlegungen führten letztendlich zur Gründung von „collaboratio helvetica“. Die Organisation beschäftigt sich mit allen Nachhaltigkeitsthemen und sozialer Gerechtigkeit. „und wir gehen sehr eng an die 17 SDGs (Sustainable Development Goals) ran“, die von den Vereinten Nationen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung definiert wurden.
Und was hat das mit Kongressen zu tun? Wieso sagte Nora Wilhelm bei der Convention4u zu? „Die Convention ist ein spannendes Thema. Da sind Menschen dahinter, die mit dem Herzen dabei sind“, kommt die Antwort. Vor allem die Thematik von der Meeting- hin zur Meaning-Industrie hat Nora Wilhelm begeistert. Wie steht sie der Fluganreise zu Live-Kongressen gegenüber? Auch hier erweist sich Nora Wilhelm als Realistin: „Wir gehen nie von außen auf eine Industrie zu. Wir tun das nur, wenn Menschen zu uns kommen, die ihr System gut verstehen. Die Frage ‚Fliegen oder online?‘ steht nicht im Vordergrund. Sondern wir müssen überlegen, wie viele Kongresse und Seminare es wirklich braucht, ist mein Kongress wichtig, könnte ich ihn nicht mit anderen zusammenlegen, wie kann ich sie nachhaltiger gestalten.“ Der Ansatz von Nora Wilhelm ist also kein Plädoyer dafür, „dass wir nur noch online arbeiten, denn der persönliche und physische Raum ist wichtig. Es ist ein Privileg, an einem schönen Ort zusammen zu kommen und in die Tiefe zu gehen.“
Für Nora Wilhelm ist klar: „Um die Paradigmen, auf denen unsere Systeme basieren, tatsächlich zu verändern, müssen wir bei uns selbst beginnen.“ Mit den von ihr und ihrer Kollegin auf der Convention4u geleiteten Impulsen und Workshops will sie diese Ansätze in der Meeting-Industrie einbringen. Mehr dazu im ACB-Magazin 02/2023.
Erstellt am: 26. April 2023
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