
AUSTRIAN CONVENTION BUSINESS MAGAZIN (PRINT 2025/01)
Die Convention-Branche steht durch den demografischen Wandel vor Veränderungen – diese bieten einerseits Chancen, erfordern aber auch ein Umdenken
Um neueste Erkenntnisse und Methoden des Lernens in Bezug auf die Convention-Branche geht es in der neuen Serie des AUSTRIAN CONVENTION BUSINESS MAGAZINS, bei der Expert:innen zu Wort kommen. Den Anfang macht Prof. Dr. Christian Noe, der als Chemiker und Pharmazeut viel auf dem Gebiet der Hirnforschung geleistet hat.
Dr. Noe war Professor und Vorstand des Institutes für Pharmazeutische Chemie an den Universitäten Frankfurt und Wien. Zudem übte Dr. Noe langjährige Tätigkeit in diversen Gremien aus, wie der European Federation for Pharmaceutical Sciences (EUFEPS), deren Präsident er 2005 und 2006 war und hat als Gründungsvorsitzender des wissenschaftlichen Komitees der Innovative Medicines Initiative (MI) der EU sowie als Berater der United Nations Industrial Development Organization (UNIDO) und der International Atomic Energy Agency (IAEA) wichtige Akzente gesetzt. Zu seinen Kompetenzschwerpunkten zählt die therapieorientierte Hirnforschung (u. a. Funktion und Dysfunktion der Blut-Hirn-Schranke). Eine Frage, die ihn dabei beschäftigt: Wie können Demenz-Erkrankungen vermieden werden?
Nach aktuellen Schätzungen wird sich die Zahl der an Demenz erkrankten Menschen bis 2050 weltweit verdreifachen, von rund 57 Mio. im Jahr 2019 auf dann 153 Mio. Wobei nicht nur das Bevölkerungswachstum und die steigende Lebenserwartung damit zu tun haben, sondern auch die Lebensweise, wie Übergewicht, Rauchen oder ein zu hoher Blutzuckerspiegel.
Lange Zeit ging man davon aus, dass Demenz-Erkrankungen, wie Alzheimer (gekennzeichnet durch fortschreitenden Gedächtnisverlust), Parkinson (dabei kann man neue Sachverhalte lernen, es dauert nur oftmals länger, der Gedächtnisverlust setzt meist erst sehr spät ein) oder die Vaskuläre Demenz (u. a. verlangsamtes Denken, Sprachstörungen, eingeschränkter Wortschatz) genetisch bedingt sind, meint Dr. Christian Noe. Noch im Jahr 2000 war diese Überzeugung weltweit verbreitet.
Heute steht fest, dass nur 1 bis 2 % der Alzheimer-Erkrankungen auf Gene zurückzuführen sind, bei Parkinson sind es 10 %, während es bei Vaskulärer Demenz diesbezüglich keinerlei Hinweise gibt: Sie ist prinzipiell nicht vererbbar. Es handelt sich vielmehr – und zwar bei allen drei Demenz-Erkrankungen – um auf das Immunsystem des Gehirns zurückgehende Entzündungsprozesse. „Wir haben bereits bei meiner Tätigkeit in Deutschland experimentell gesucht, ob bestimmte Substanzen überhaupt ins Gehirn kommen“, so Dr. Christian Noe, der dieses Modell später nach Wien gebracht hat. Seine Conclusio: „Mehr als die Hälfte aller Demenzen sind von den Lebensumständen abhängig.“
Erst 2016 hat die Industrie begonnen, sich dahingehend umzustellen. Drei Jahre später hat Dr. Christian Noe dann die Firma BM Health („Brain Metabolics“) gegründet, als deren CEO er fungiert und deren Mission in der Unterstützung der geistigen Fitness bis ins hohe Alter besteht. „An dieser Aufgabe arbeiten wir auf Grundlage jahrzehntelanger Forschung.“ Die „Brain Metabolics“-Produkte setzten dabei auf die Sicherung der Versorgung des Nervensystems mit Energie und essenziellen Nährstoffen durch die Aktivierung der Transportfunktionen der Blut-Hirn-Schranke.
Die Forschung von Prof. Dr. Christian Noe zeigt also, wie wichtig wissenschaftsbasierte Impulse auch außerhalb der klassischen Zielgruppen sind. Die Frage lautet nun: Wie kann die Tagungsbranche gezielt Forschungsthemen wie Hirngesundheit, Prävention oder Biotechnologie integrieren? Und welche Potenziale liegen in interdisziplinären Formaten, die Themen aus Medizin, Pharmazie und Gesellschaft verbinden?
Als Reaktion auf die erste Frage könnten etwa themenfokussierte Veranstaltungen geschaffen werden und zwar in der Form von spezialisierten Konferenzen, Symposien oder Workshops, die sich ausschließlich diesen Forschungsbereichen widmen. Auch interdisziplinäre Tagungen sind möglich, die Expert:innen aus verschiedenen Bereichen (Medizin, Biologie und Technologie) zusammenbringen.
Diese interdisziplinären Formate, die Themen aus Medizin, Pharmazie und Gesellschaft verbinden, sorgen für verbesserte Zusammenarbeit und Kommunikation. Durch gemeinsame Lehrveranstaltungen und Schulungen können Studierende und Fachkräfte aus verschiedenen Disziplinen ein tieferes Verständnis für die Verantwortlichkeiten und Rollen der jeweils anderen Berufsgruppen entwickeln, was zu einer verbesserten interprofessionellen Kommunikation und Zusammenarbeit im späteren Berufsleben führt.
Die fachübergreifende Zusammenarbeit kann zudem bei der Reduzierung von Fehlern helfen und zu besseren Ergebnissen bei der Patientenaufklärung führen. Dadurch würden sich positive Auswirkungen auf den Behandlungserfolg und die Patientensicherheit ergeben. Durch diese und weitere Maßnahmen kann die Tagungsbranche einen wertvollen Beitrag zur Verbreitung und Anwendung wichtiger Forschungsergebnisse auch auf dem Gebiet der Hirngesundheit oder Prävention von Demenz leisten.
Zurück zum demografischen Wandel und dem, was man als „Silver Society“ bezeichnet: Durch sie ergeben sich neue Zielgruppen für die Tagungsbranche. Denn die steigende Lebenserwartung bringt eine wachsende Zahl älterer, aktiver Menschen mit sich, die auch im beruflichen oder zivilgesellschaftlichen Kontext weiter an Veranstaltungen teilnehmen, einerseits als Besucher:innen, anderseits als Vortragende oder ehrenamtlich Engagierte.
Nicht zu unterschätzen sind die Veränderungen, denen die Convention-Branche durch den demografischen Wandel gegenübersteht, wenn es darum geht Tagungen altersfreundlicher zu gestalten. Dies betrifft Barrierefreiheit genauso wie das Pausenmanagement und auch die Informationsaufbereitung.
Bei all dem sind Gehirngesundheit und kognitive Fitness wichtig. Denn wie die Erkenntnisse von Dr. Christian Noe zeigen, ist die geistige Leistungsfähigkeit durchaus beeinflussbar (auch durch Rahmenbedingungen bei Events). Er nennt vier wichtige Bereiche, welche helfen Demenz-Erkrankungen zu verhindern: die soziale, geistige und körperliche Aktivität sowie die gesunde, richtige Ernährung.
Während die drei ersten Faktoren leichter durch unser Zutun geändert werden können, ist dies im Falle der Ernährung anders. „Dazu muss man wissen, dass nicht alles, was wir an Nährstoffen aufnehmen, automatisch ins Gehirn kommt. Die Blut-Hirn-Schranke filtert sorgfältig, was hineinkommt und was nicht“, so Dr. Christian Noe. Diese Blut-Hirn-Schranke dichtet also das Gehirn gegenüber dem Körperkreislauf ab. Aus gutem Grund, denn sie schützt das Gehirn vor schädigenden Substanzen und Krankheitserregern. Im Gegenzug muss jeder Nährstoff, der ins Gehirn kommen soll, aktiv hinein transportiert werden. Das ist in jüngeren Jahren der Fall, doch im Zuge des Alterungsprozesses nimmt die Aktivität der Transporter ab. „Aber man kann den Transport von wichtigen Stoffen auch aktivieren“, so Dr. Noe. Genau das macht „Brain Metabolics“: „Wir fördern damit den Stofftransport ins Gehirn.
Auch die Convention-Branche ist diesbezüglich gefordert. Sie kann in ihrem Eventdesign eine wirksame Rolle bezüglich Ernährung, Bewegung sowie mentaler Aktivität einnehmen und Veranstalter:innen können mit bewussten Konzepten (z. B. „Brain-Friendly Events“) zur kognitiven Gesundheit beitragen.
Beispiele dafür sind die Gestaltung des Veranstaltungsraums (etwa Schaffung von ruhigen Bereichen mit bequemen Sitzgelegenheiten, beruhigenden Farben und natürlichem Licht), der Integration von Wellness-Aktivitäten (z. B. Angebot von Yoga- oder Meditationssitzungen während der Pausen) oder der Förderung kognitiver Stimulation (u. a. Einbindung von Gedächtnisspielen, Rätseln oder Strategiespielen in das Programm). Wichtig wäre zudem ein auf die älter werdenden Gäste abgestimmtes Ernährungskonzept, etwa in Form von nährstoffreicher, gehirnfreundlicher Kost, ausreichend Trinkwasser und gesunden Snacks zur Förderung der kognitiven Leistungsfähigkeit.
Erstellt am: 20. April 2025
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